Christine Niehoff – Kosmos Gesellschaft

Ausstellungsdauer: 14.11.2014 – 14.12.2014


zwei Kurzvorträge mit anschließender Publikumsdiskussion:
Prof. Dr. Dietrich Manzey (TU Berlin, Psychologe für die deutschen Astronauten auf der ISS) spricht über die psychologischen Aspekte des Lebens und Arbeitens im All. Lucie Poulet (Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt, Bremen) arbeitet zur Gemüsezucht auf langen Raumflügen und berichtet von ihrer kürzlich simulierten Marsmission auf Hawaii
_____
In ihrer Ausstellung „Kosmos-Gesellschaft“ betreibt Christine Niehoff erzählerische Zukunftsforschung. In einer ausgesprochenen LowTech-Ästhetik setzt sie sich mit dem HighTech Thema der wirtschaftlichen Nutzung und Besiedlung des Alls auseinander, hin- und hergerissen zwischen der Faszination des Weltraums und des Traums von einer neuen Welt auf der einen, und der Sorge um die Erde und die Überheblichkeit, Unzulänglichkeit und Selbstüberschätzung des Menschen auf der anderen Seite. Die Ausstellung „Kosmos-Gesellschaft“ ist eine Gratwanderung zwischen Realität und Fiktion, wissenschaftlicher Recherche und Science Fiction, zwischen großen Plänen und banalen Alltäglichkeiten, zwischen Heldentum und Weltraumklos.

Doch was erhoffen wir uns wirklich vom Weltraum, jenseits der Rendite? Was erwartet uns konkret, wenn wir im Weltraum leben wollen? Ist es eine Alternative zur Erde?

Der Weltraum war immer ein Raum für Utopien, die auf der Erde undenkbar schienen. Die Frage nach der Gesellschaft, in der wir leben wollen, wäre in diesen post-utopischen Zeiten auf der Erde für den Weltraum besonders interessant. Doch bei den derzeitigen Plänen zur Nutzung und Besiedlung des Weltraums steht der Begriff Innovation scheinbar ausschließlich für technische Innovation. Statt Gesellschaft neu zu denken, werden neben wirtschaftlicher Gewinnmaximierung vor allem alte Ideologien neu bemüht, wie die der amerikanischen Frontier, deren erstes Ziel die geographische Ausdehnung und Eroberung von Raum ist. Eine Ideologie, die eine unbestimmte Sehnsucht nach Ursprünglichkeit bedient: an dieser Grenze ist der Mann noch ein Mann und kann sich im Kampf gegen Urgewalten beweisen. Die Weltraumhelden während des Kalten Krieges waren ja auch noch echte Kerle, anders als die RaumfahrerInnen heute, die sich, zu Angestellten auf der ISS „degradiert“, zum wirklichen Helden kaum noch eignen. Als neue Stars der Raumfahrt scheinen sich dagegen zurzeit vor allem Unternehmer zu vermarkten, die statt ums Überleben auf Mars oder Mond vor allem um Milliarden kämpfen.

Doch welche Helden brauchen wir? Was bedeutet es für das Unterfangen Weltraum, wenn wir heute wissen, dass auch die echten Kerle alle Schwächen aus Angst um die Karriere versteckten? Juri Gagarin, der erste Mensch im All, tat in der letzten Nacht vor dem historischen ersten Flug so, als schliefe er tief und fest. Erst Jahre später gab sein Zimmernachbar Titov zu, dass beide geahnt hätten, dass die Betten im Zimmer verkabelt seien und sie sich deswegen die ganze Nacht nicht gerührt hätten, um tiefen Schlaf vorzutäuschen. Dieses Zimmer hat Christine Niehoff im Atelier nachgebaut. Dieser Nachbau wird im Kunstraum erstmals in einer Ausstellung zu sehen sein. Ebenfalls zu begehen sein wird eine aus Pappe nachgebaute „Etage“ eines der vielen geplanten Mars-Habitate in Originalgröße: Schlafräume, Küche und sanitäre Anlagen. Verlassen können die Besucher diese Kapsel nur in einem (improvisierten) Raumanzug. Draußen werden auf Bildschirmen Interviews mit zwei Kandidaten für die niederländische Mars One Mission zu sehen sein, sowie eine künstlerische Arbeit einer Kandidatin.

Weitere Informationen: www.christine-niehoff.net

 


◄ vorherige Ausstellungnächste Ausstellung (2015) ►
zum Archiv 2014