Frank Gaudlitz – Warten auf Europa

Ausstellungsdauer: 20.12.2006 – 21.01.2007


Durch Ost- und Mitteleuropa fließt ein Strom, an dessen Ufern die Situation eines neuen Europa beispielhaft deutlich wird – die Donau. 2778 Kilometer legt die Donau von der Quelle in Deutschland bis zur Mündung ins Schwarze Meer zurück. Sie verbindet (und trennt) zehn Staaten mit ungleichem ökonomischem Entwicklungsstand und verschiede-nen politisch-gesellschaftlichen Ausprägungen. Unterschiedlichste Ethnien, Armut und Reichtum treffen hier hart aufeinander. Politische Umwälzungen, Bürgerkriege und wirtschaftlicher Stillstand haben deutliche Spuren gelassen.

Der Potsdamer Fotograf Frank Gaudlitz, dessen Arbeiten in der Tradition der künstlerischen Dokumentarfotografie stehen, ist für sein Projekt „Warten auf Europa“ zwei Jahre lang durch die zehn Anrainerstaaten der Donau gereist und hat die dort lebenden Menschen porträtiert.

Die Reiseroute lief bewusst gegen den Strom, sie begann an der Mündung seines Oberlaufes in der Ukraine und führte durch Moldawien, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Kroatien, durch Ungarn und die Slowakei, durch Österreich bis zu seiner Quelle in Deutschland. Die Reise folgte im poetischen Sinn der Richtung der Wünsche der Menschen aus den ärmeren Gegenden im Südosten, die ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben oft auf die westlichen postin-dustriellen Länder wie Deutschland projizieren.

In der Ausstellung im Kunstraum Potsdam sind etwa 40 farbige Einzel- und Doppelporträts zu sehen – eine kleine Auswahl aus über 350 Aufnahmen, die auf Gaudlitz´ Reisen entstanden sind. Die Arbeiten zeugen von einem sen-siblen Gespür des Fotografen für Menschen, Körperhaltungen und Gesten. Auch wenn es zufällige und kurze Be-gegnungen sind, gelingt es Gaudlitz, die Menschen dazu zu bewegen, in einen intensiven, konzentrierten und span-nungsvollen Dialog mit ihm zu treten. Fotografiert hat er die Menschen an den Orten, an denen er sie traf. Gaudlitz verzichtet auf jede Form der Inszenierung und konzentriert sich allein auf den Moment der Aufnahme und die Bezie-hung von Person und Hintergrund. Immer zeigt er die ganze Person, immer geht ihr Blick ins Objektiv. Formal ähneln sich die Aufnahmen, doch genau dadurch wird es möglich, den Blick auf die Details zu lenken, durch die sich die Menschen unterscheiden. So sind die über die Kleidung ablesbaren sozialen und ökonomischen Unterschiede der Menschen besonders augenfällig. Ihre Auswahl erhebt bei Gaudlitz jedoch keinen Anspruch darauf, repräsentativ zu sein Vollständigkeit, vielmehr geht es ihm um ein Ausloten des allgemeinen sozialen Gefälles. „Warten auf Europa“ ist ein genaues Protokoll, das die Ungleichzeitigkeit von Modernisierungsprozessen aufzeigt und den Blick schärft für die daraus resultierenden sozialen Unterschiede, die die Lebensperspektive des Einzelnen mitbestimmen.

Frank Gaudlitz, geboren 1958, studierte Fotografie bei Arno Fischer an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. 1991 bis 1994 arbeitete er an einem Fotoprojekt über den Abzug der russischen Streitkräfte aus Deutsch-land an der Universität Potsdam, zu dem die Publikation Die Russen gehen (Basisdruck Verlag) erschien. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in Russland und Osteuropa. Für seine fotografische Arbeit erhielt er den Aenne-Biermann-Preis. Seine Fotografien waren unter anderem in Ausstellungen in Potsdam, Berlin, Hamburg, Bonn, Jena, Moskau, St. Petersburg, Nishni Nowgorod, Reykjavik, Paris und Wakefield zu sehen. Frank Gaudlitz lebt als freier Fotograf in Potsdam.

Weitere Informationen: www.gaudlitz-fotografie.com


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