Ich Wicht

Ausstellungsdauer: 19.09.2010 – 14.11.2010


Kuratiert von Dr. Catherine Nichols

Unter dem Titel ›Ich Wicht‹ präsentiert der Kunstraum Potsdam seine neueste Ausstellung zu Beginn des Kunstherbsts 2010. Mit einer anregenden Auswahl von fein nuancierten künstlerischen Arbeiten kreist die thematische Präsentation um das Verhältnis zwischen dem kindlichen und erwachsenen Ich; sie befragt die Figur des Kindes und der Kindheit als Topos, als ideelle Projektionsfläche, als Utopie.

Weit davon entfernt, eine neoromantische Rückkehr zu einem idealisierten Bild des kindlichen Blicks ausleben oder einen neuen Primitivismus inszenieren zu wollen, greift die Ausstellung eine frühmorgentlichen Alltagsüberlegung von Jacques Derrida auf, spielt sie weiter. Beobachtet von seiner Katze, wie er nackt, nass, verletzlich aus der Dusche stieg, überlegte sich der peinlich berührte Derrida, was die Katze wohl sehe, ob und worüber sie nachdenken mochte. Aus diesem Gedanken entwickelte sich die Frage, woher wir wissen wollen, dass Denken grundlegend anders ist als „Schnüffeln“ oder „Wittern“, und warum fast jede Ontologie ein menschliches Subjekt herbeisehnt, das seine „Tierheit“ überwunden hat.

Ohne Kind und schnüffelndes Tier in eins zu setzen, lässt sich feststellen, dass das scheinbar so prekäre Selbstverständnis des Menschen als Menschen ähnliche Abgrenzungen zum Kind, zum Kindsein voraussetzt. Denn analog zur Tierheit, gilt es ja im Laufe eines Lebens und im Sinne der vermeintlichen Zivilisation, die Kindheit allmählich zu überwinden, ein zunächst inkohärentes, anarchisches, unfertiges Ich gegen ein rationales, gesittetes, abgeschlossenes auszutauschen.

Aber was wäre, so fragt die Ausstellung, wenn wir eine Koexistenz der beiden Wesensarten zulassen würden, wenn wir – wie Derrida in seinem im Bad begonnenen Buch L’animal que donc je suis (Das Tier, das ich also bin) – von einem „Kind, das ich also bin“ ausgehen würden, oder besser gesagt von einem „Ich Wicht“, wie es in der titelgebenden, am Beginn der Ausstellung stehenden Arbeit von Andreas Fischer heißt? So versammeln sich Werke aus allen Bereichen der zeitgenössischen Kunst, die die lineare Selbstevidenz von Überwindungen und Atavismen ablehnend die komplexen Sache der Menschwerdung berühren.

Neben Filmen von Cecil Hepworth, Vera Chytilová und Werner Herzog werden Werke von Daniela Baldelli, Oliver van den Berg, André Butzer, Mikala Dwyer, Andreas Fischer, Jutta Geier, Göran Gnaudschun, Rolf Julius, Silke Eva Kästner, Frieda Knapp, Knut Kruppa, Axel Lieber, Ralph Müller, Miguel Rothschild, Albrecht Schäfer, Felix Schramm, Martin Städeli, Kerry Tribe, Wiebke Maria Wachmann, Mark Wallinger und Moritz Wiedemann gezeigt: Werke, die wie die Katze im Bad dazu einladen, über das Wesen des Wesens, der Wahrnehmung und Erinnerung nachzudenken.

Die Ausstellung wird ermöglicht durch die freundliche Unterstützung des Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg sowie der Jugend-, Kultur-, Sport- und Sozialstiftung der Mittelbrandenburgischen Sparkasse in Potsdam.


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