Ausstellungsdauer: 02.11. – 06.11.2016
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Diese seit etwa hundert Jahren gebräuchliche Metapher beschreibt einen sehr zutreffenden Sachverhalt und entlarvt gleichzeitig ein Dilemma der Baukultur. Nur wenn es gelingt, die emotionale Ebene der Wahrnehmung zu erreichen, werden die vielen guten Argumente für Baukultur überzeugen können. Geist und Maß, Sinn und Form müssen zusammenwirken, und das können sie dort am besten, wo ein reflektierender und gleichzeitig künstlerischer Blick auf die gebauten Lebensräume fällt.
Der architekturbild e.v. hatte bei seinen Auslobungen für den Europäischen Architekturfotografie-Preis schon immer die Beziehung von Mensch und gebautem Raum thematisiert. Nicht das menschen- und maßstabslose Gebäude als Dokumentation für Architekturmagazine sollte abgebildet werden, sondern die Beziehung und Wirkung der gebauten Räume auf deren Nutzer. Das ist auch ein Anliegen der Bundesstiftung Baukultur und trifft in besonderer Weise auf das aktuelle Thema des Baukulturberichts 2016/17 „Stadt und Land“ zu.
Wir glauben, dass es gerade für ländliche Räume eine Zukunftsperspektive durch Baukultur gibt. Eine fotokünstlerische Auseinandersetzung mit diesem Thema öffnet den Blick für die Situation und die baukulturellen Potentiale dieser Alltagsorte. Diese Erkenntnis gab den Anlass, aus den Beständen des architekurbild e.v. gemeinsam eine Sonderausstellung zu kuratieren, die das Thema „Stadt und Land“ aus fotokünstlerischer Sicht beleuchtet.
Während sich sonst die Fotografen – vom architekturbild e.v. mit einem Thema ausgestattet – alle zwei Jahre für den Europäischen Architekturfotografie-Preis auf Bilder-Pirsch begeben, haben wir hier den umgekehrten Weg gewählt. Wozu selbst mit der Kamera losziehen, wenn uns doch ein so reichhaltiger Fotoschatz zur Verfügung steht? Wir haben ihn und die bisherigen Kataloge vergleichend quer durch die Jahrgänge zu diesem übergeordneten Motiv gesichtet, abgewogen, verworfen… bis wir schließlich wie auch in jedem Preisjahrgang auf 28 Bildserien kamen. Dieser umgekehrte Prozess war erfrischend, denn mit einem jahrgangsübergreifenden Fokus treten einem die Bildserien noch einmal ganz anders vor Augen.
Der selbsterteilte Auftrag war nicht, ein „best of“ zu destillieren. Hier wollten wir uns von den Fotografen etwas zu „Perspektive.Land.Stadt“ erzählen lassen. Sie haben die besondere Gabe, sich eine Welt zu erschließen und ihre Eindrücke in Bilder zu fassen. Über das so dokumentierte Verständnis gebauter Räume oder gestalteter Landschaften hinaus entstehen häufig bemerkenswerte und künstlerisch gute Fotos.
Was ist ein gutes Foto? Ein Bild das berührt, das zum längeren Betrachten einlädt, in dem man mit den Augen spazieren gehen kann und das von der Komposition und der technischen Umsetzung her überzeugt. Fotos oder wie hier Bildserien können ohne Worte Geschichten erzählen, zum Beispiel über das Gelingen oder Scheitern von Baukultur. Sie können ein Thema oder ein Anliegen aufgreifen und eine unmittelbar auf uns wirkende Aussage machen. Ob grafisch-abstrakt, in Schwarz-Weiß oder postkartenbunt, als langgestrecktes Panorama oder inszenierter Ausschnitt, augenzwinkernd oder nachdenklich: Die Fotos sprechen für sich, ihre individuelle Interpretation ist den Betrachtern überlassen.
Christina Gräwe Reiner Nagel
Vorsitzende architekturbild e.v. Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur
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